Und nun nehme ich Abschied von Freiburg.
Noch steht der Entlassungstermin nicht fest. Aber das Abschied – nehmen steht an.
Und es fällt mir schwer.
„Erstmal Ausmisten“… ist immer ein guter Anfang, weil ich weiß, wie sehr es mir gefällt, auf übersichtliche Ablagen und Schrankfächer schauen und zugreifen zu können. Damit es leichter werde…
…so habe ich also meine Kalender vom letzten Jahr gefunden.
Im Lichte des Abschiedes ergeht es mir bei diesem Blick zurück manchmal schlecht. Ich hätte so viel verpasst, miesepetert es in mir. Ich hätte so viel mehr machen müssen und habe meine Zeit nicht ausreichend genutzt…
Jetzt aber fühle ich mich wohl. Ich spüre Freude. Und ich bin einfach so richtig gründlich dankbar.
Wie wohl in jeder größeren Stadt gibt es auch hier verschiedene Zeitschriften, die über alle Arten von Veranstaltungen informieren. Diese hatte ich mir zu Beginn meiner Zeit in Freiburg regelmäßig vorgenommen und, damit mir möglichst wenig entgehe, alles notiert, was mein Interesse weckte.
Nahezu täglich hatte ich, zusätzlich zu meinem Rehaprogramm, irgendetwas vor: Vorträge, VHS Kurse, Konzerte, Selbsthilfegruppe, Museumsführung… Freiburg bietet eine derartige Fülle an Angeboten für die Sinne, die Neugierde und die Lust, dass ich auf Dauer die doppelte Kraft, die dreifache Zeit und die Extraportion finanzielle Mittel gebraucht hätte – wenn nicht… wir wissen, dass es anders kam: Ab Frühjahr letzten Jahres jedenfalls ging es mit meinen kulturellen Exkursen schlagartig bergab. Zudem fehlte mir neben den Praktika während der berufliche Reha einfach oft auch die Kraft, um abends nochmal mein Rad zu satteln und die Stadt zu erkunden.
Ich war mutig. Habe Dinge ausprobiert, die mir „früher“ niemals in den Sinn gekommen wären.
Zum Beispiel fällt mir da mein Kurs im „intuitiven Singen“ ein. Da durfte ich mich in dieser Wiehrevilla willkommen fühlen und mich mitmachend ausprobieren – trotz meiner Stimme und meinen Hemmungen, zu singen. Und dann war da noch der Kurs über die kreativen Annäherung an die inneren Anteile. Ganz verrückt war das Tagesseminar, in dem ich beim „Haka“ – Ritual mitgemacht habe. Beim entsprechenden Wochenendkennenlernkurs habe ich bei „Tamalpa“ reingeschnuppert… und so meine hiesige Logopädin kennengelernt. Das in Freiburg und Umgebung sehr bekannte, alljährliche „ZMF“ (Zelt-Musik-Festival), im Tierpark Mundenhof habe ich 2019 mehrere Male besucht. Will man sich die Eintrittspreise sparen, setzt man sich unter die anderen Menschen in die warme Sommernacht und hört dem Treiben in den Zelten einfach mit Sicht auf den Sternenhimmel zu. Im Konzerthaus war ich auch zwei Mal… habe die Matthäuspassion von Bach und den Messias von Händel gehört – wobei ich bei der Erinnerung daran schmunzeln muss…. kann sich jemand vorstellen, dass ich, fast zentral hinter dem Dirigenten sitzend, beim Höhepunkt der Veranstaltung, dem stimmgewaltigen „Halleluja“ – Chor, eingeschlafen bin…?! Sowas kann man nur mit Humor nehmen!
Ich bin den Veranstaltern ins Konzerthaus des Freiburger Barockorchesters gefolgt, ins Münster und in viele andere Gotteshäuser, wobei mir dabei die Christuskirche in besonders lieber Erinnerung ist. Nicht wegen ihrer Architektur. Auch kann ich die Akkustik nicht wirklich beurteilen. Aber das Angebot der kleinen Kirche lockte mich einfach und die Kosten waren erschwinglich. Zum dortigen Bach Cello Solo Konzert auf Spendenbasis konnte ich sogar einige Mitrehabilitanden motivieren – und eine von ihnen blieb sogar noch nach der Pause :-).
Und ich erinnere mich auch gerne an die Lieder Schuberts, die ich dort gehört habe, sowie an den ersten Teils des Weihnachtsoratoriums von Bach für eine kleine Besetzung. Das war damals mein Trost, weil ich mir die „großen“ Aufführungen im Konzerthaus nicht leisten wollte. Ja… und da war da noch Mozarts Requiem. Was war ich glücklich, eine Karte ergattert zu haben! Und ich erinnere mich an die Tränen, die mir während der Aufführung vor lauter Berührtsein ob der schönen Musik über die Wangen kullerten….
Ich denke auch gerade an die Rückfahrten… Meistens nahm ich den Radschnellweg entlang der Dreisam und oft erwischte ich mich beim Nachsummen oder -singen gehörter Melodien. Es hörte mich ja niemand… 🙂
Ich lächele. Jetzt. Geschenke Freiburgs…