Ich habe das Bild in einem Beilagenblättchen gefunden und ausgeschnitten. Der Betrachter blickt aus einer gehobenen Perspektive auf den Freiburger Stadtteil Weingarten im Sommer. Er sieht auf Hochhäuser und viel Grün dazwischen.
Weingarten entstand in den 60er Jahren aus Beton – geformt in einer großen Menge unterschiedlicher Wohnburgen, Hoch- und Tiefgaragen und einem kleinen, sehr belebtem, Einkaufszentrum. Russische und türkische Läden und das multikulturell anmutende Stadtteilbüro zeugen von einem bunten Bewohnerspektrum. Und dazwischen: Grünflächen, die sich vom „Dorfbach“ aus in Parkanlangen ausdehnen, Inseln bilden und den großen, alten Bäumen zum Strecken und Recken Raum geben.
Ich durfte hineinschnuppern in diesen Stadtteil – teilweise sprichwörtlich. War ein paar Tage die Arriva-Briefträgerin im Kerngebiet Weingartens. Erkennungszeichen war das blaue Lastenfahrrad, manchmal schwer bepackt von Massen an AOK-Mitgliederzeitschriften, die sich breit machten in den Kisten und gerade damit die spärliche Menge von Berufskleidungskatalogen betonten.
Im Laufe der Woche schwand mein ratlos suchender Blick nach zueinanderpassenden Namen auf Straßenschildern, Briefen und Kästen spürbar – und damit diese rastlos getriebene Stimmung.
Ich fühlte mich sicherer und zunehmend passend in dieser schrägen Rolle: Nur im Rahmen dieser vorrübergehenden Aufgabe wurde auf mein Klingeln eine Tür geöffnet und ich durfte – auch im übertragenen Sinne – einen Schritt hineingehen. Und doch war ich fremd, eigentlich nicht zu diesem Stadtteil gehörend, nur geduldet, aber grundsätzlich Gast, „egal“, und emotionsfrei austauschbar.
Und dabei war alles auch richtig: Habe ich doch mein Praktikum regelrecht beendet und waren meine Arbeitgeber zufrieden mit meiner Leistung. Bin ich doch ganz froh, in der momentanten feuchten Kühle nicht mehr in aller Herrgottsfrühe durch die Dunkelheit radeln zu brauchen…
…bin ich tief im Innern traurig.
Tschüss, Weingarten – und hab‘ Dank.
Das Gefühl, auf das ich auf Deinen Gehwegen, zwischen Namensschildern, Haustüren, wilder Sperrmüllhaufen und teilnahmslosen wie namenlosen Gesichtern traf, bleibt wohl noch eine Weile.
Ich kenne es schon so lange.