Schüümli

Schüümli-Kaffee verknüpft mein Hirn mit einer „guten Erfahrung“. Kognitiv kann ich mich leider nicht mehr genau erinnern, was und wann genau diesem Eindruck Anlass genug war, es sich in meinen Nervenbahnen so angenehm gemütlich zu machen. Aber so wichtig ist das ja auch gar nicht.
„Schüümlikaffee“ steht für einen typischen Urlaubseinkauf – also für „unvernünftig, unnötig“ – aber eben deshalb aus einer feinen Laune der leicht-sinnigen Lust heraus, die es so selten so einfach zu schnappen gibt.

Schümli Kaffee entpuppte sich damals zudem als überraschend wohlschmeckend: Aromatisch, rund und einfach als ein Genussmittel, also ein Vermittler, das Wohlsein fühlen und sich darin einlassen zu können.

Ich habe bis heute gute Erinnerungen daran. In Mittelhessen ist diese Schümli-Kaffeeröstung nur in großen Supermärkten zu finden und wegen des stolzen Preises siegte bislang immer meine Vernunft vor dem Kauf. Sie und ihr Preisbewusstsein schützen mich auch vor der Enttäuschung: Was ist, wenn da vielleicht doch kein wohliger, emotional auffrischender „Schüümligeschmack“ von damals drin ist, sondern doch nur überteuerter Kaffee…?

Hier, wohl der Nähe der Schweiz zu verdanken, gibt es ihn einfach immer im Regal und neulich blieb mein Blick an ihm haften…

Da stand er: Durchschnittlich, nicht übertrieben teuer. Keine besondere Marke… aber mit einem 5,- Euro Gutschein darauf, einzulösen bei Aral (kann man immer mal gebrauchen). Klar, Milchmädchengeschäfte… aber ich schlug zu, die Gedanken daran, ihn Klaus mitzubringen. Vielleicht kann er sich ja noch erinnern, wann und wo das war? Vielleicht freut er sich ja…

Und Klaus freute sich. So hatte ich neben meiner stillen Vorfreude auch noch die geteilte Freude…: Schümli-Plan erfüllt!

Aber der Aralgutschein war abgelaufen und ich fühlte mich veräppelt. Das wollte ich denen nicht durchgehen lassen. Den Kassenbon hatte ich noch…


Die Schlangen an den Kassen waren lang. Die Kassiererin ließ die Filialleitung durchrufen.

Eine hektische, gestresst wirkende Frau mittleren Alters kam von irgendwoher angeflattert. Ihre Schlüssel klapperten. Die kleine Tür des Kassenverschlags hämmerte ins Schloss. Sie stöhnte. Ihre Stimmlage bewertete ich als genervt-raunend.

Sollte sie damit mein Schuldgefühl bezweckt haben, war sie erfolgreich.

Vermutlich instinktiv und nur um dessen ganz sicher zu sein, frug sie mich zudem: „Und wegen dem Gutschein haben Sie also den Kaffee gekauft?“

Was bin ich doch für ein armer Teufel, läppische fünf Euro (laut Adam Riese Karin Kleinhirn gerundet 30% des Ursprungspreises) als Kaufentscheidung zu benötigen und sie, Frau Ganzwichtig-Dauergenervt mit so einer Lächerlichkeit zu belästigen?

„Damit ist der Kaffee fünf Euro billiger. Das ist doch was?“

Ein stöhnenseufzendes „Pfff“ entwich ihr. Sie verstaute den Bon im unteren Schubfach der Kasse und griff ins Geldfach.

Ob ich 20 Cent hätte?

Freudig bejahend gab ich ihr das Geldstück.

Sie drückte mir einen 10 Euro Schein in die Hand, den ich dankend annahm.

„Würden Sie dann vielleicht noch den Flaschenpfandbon auszahlen…?“

„Ausnahmsweise!!!“ mahnte sie. Und mit dem Zusatz „Normalerweise müssten Sie sich hinten anstellen wie alle anderen auch!“ glaubte sie wohl, mein Wissensspektrum erweitern zu können.

Ich unterdrückte eine bissige Bemerkung und bedankte mich stattdessen nicht zu betont höflich: Das sei aber SEHR nett von ihr…

…als mir promt einfiel, dass ich doch ursprünglich nicht 9,80€ sondern 13,99€ für den Kaffee gezahlt hatte. Ich frug sie freundlich, ob sie nochmals auf den Zettel schauen könne?

Sie schaute, war genervt, das wisse sie jetzt auch nicht, wie soll sie denn das heraus bekommen?

Ich hatte keine Lesebrille dabei. Mist. So erkenne ich rein gar nichts normalgroß Gedrucktes mehr.

Das in Scham flüchtenwollende Kleinkind in mir siegte allesandereüberflutend.

„Sicher. Das wird schon seine Richtigkeit haben. Das wird schon stimmen, was auf dem Zettel steht. Sie können da ja auch nichts für…“

Draußen am Rad aber schaltete sich das Hirn wieder ein. Ich schaute in die Angebote der Woche. Tatsächlich: Genau diesen Kaffee gibt es zur Zeit für 9,80€ statt für 13,99€.

Kurz befragte ich mich und ging hinein…


Die Schlangen an den Kassen waren lang. Die Kassirerin ließ die Filialleitung durchrufen…

„Ich sehe, Sie haben einen stressigen Job. Dennoch glaube ich, dass mir noch ein Restbetrag meiner Rückgabe zusteht.“

4,19 € fielen in meine offene Hand. Natürlich bat sie nicht um Verzeihung oder zumindest Verständnis. Armer Mensch.

Ich aber hielt 4,19 € in Händen und mit dem „Kleingeld“ eine genau richtig dosierte, wohligschmeckende Portion Stolz.

Verdammt gutes Stöffchen, so ein Schüümli.

Radstadt

Freiburg hat so einer popeligen Mittelhessin wie mir schon was zu bieten… z.B.: Erlebnis Radfahren in einer fahrradfreundlichen Stadt.

Gleich mal zu Beginn – ich bin hier mit meiner „Eigentlichnurfahrradfahrerei“ wirklich nichts Besonderes. So viele Fahrräder auf einen Haufen und unterwegs habe ich allenfalls damals mal in Amsterdam gesehen.

Es ist aber auch sowas von leicht und einfach sich hier auf zwei Rädern zu bewegen: Die Stadt ist mehr oder weniger flach und überall gibt es, zumindest farblich, gekennzeichnete Radwege auf den Straßen.

Und schon in den ersten Wochen konnte ich es kaum fassen, dass Autofahrer hier tatsächlich Rücksicht auf Radfahrer nehmen! Zugegeben: Mittlerweile habe ich mich echt dran gewöhnt und mich zu einer dieser blinddusseligen Scheuklappenfahrerinnen entwickelt, über die ich mich gründlich aufregen kann, sobald ich am Steuer eines KFZ’s sitze…

Aber zurück: Der Fahrradverkehr ist den Stadtplaneren scheinbar wirklich wichtig.

Es gibt komplette Radfahrstraßen, auf denen Autofahrer geduldet werden, die Straßen an sich aber so schmal sind, dass ein Überholen nur an Kreuzungen möglich ist. Und an vielen Ampelanlagen gibt es ganz vorne einen begrenzten Raum nur für Radfahrer, sodass die Kreuzung von diesen zuerst befahren werden kann.

Auf den gut ausgeschilderten Radschnellwegen lässt sich die Stadt in zwei Achsen durchqueren. Dort gibt es keine großen Verkehrskreuzungen und auch sonst kaum Kontakt zum Kraftfahrzeugen. Auch werden dort nach Möglichkeit Fußgänger und Radfahrer getrennt. So verläuft beispielsweise der Radweg entlang an der Dreisam flussauf- und der Fußweg flussabwärts.

Diese Radschnellwege sind beleuchtet und seit meinem Praktikum bei der Freiburger Stadtreinigung weiß ich, dass peinlich genau darauf geachtet wird, dass diese Strecken sauber und, vor allem, scherbenfrei sind. Sind sie aus bestimmten Gründen nicht befahrbar wird rechtzeitig darauf hingewiesen und ggf für deutliche erkennbare, gelbe und wie im normalen KfZ Straßenverkehr übliche Umleitungsbeschilderung gesorgt.

Als sich im Frühjahr die Dreisam mal hoch und breit machte, musste ich über dieses Schild hier schmunzeln:

Aber zur Zeit staune ich doch echt über diese Besonderheit:

Eine Fahrrad-Baustellenampel!

Das Ufer der Dreisam wird scheinbar befestigt und der Radweg ist nicht befahrbar. Man hat eine Trasse zur parallel verlaufenden, reichlich befahrenen, zweispurigen Hauptverkehrsader (Verbindung Autobahn in Richtung Schwarzwald/Titisee) geteert, dort die Fahrbahn verengt, damit der Radweg auch noch darauf Platz hat. Und damit die Radfahrer nicht unvorhersehbar mit dem Baustellenverkehr in Kontakt kommen, gibt es eben auf dem Radweg eine Baustellenampel.

Aber damit nicht genug.

An vier Stellen in der Stadt gibt es Fahrradreparaturstationen mit den gängigsten Werkzeugen und einer Luftpumpe.



Schon mal ein Fahrradparkhaus gesehen?



Und Radwegspiegel bei schlecht einsehbaren Radwegkreuzungen?



Freiburg ist echt auch eine Radreise wert 🙂