Schwester
Ich lade Dich in meine Gedanken ein.
Ich habe gerade Angst. Luft strömt lautlos aus einem winzigen Teil meiner Lungen durch den offenen Mund. Gerade schließt sich die Lücke zwischen Zunge und Gaumen. Etwas Ruhe kehrt ein. Meine Hände ruhen auf dem Laptop, die Finger tippen. Ich höre die Musik von meinem Nachbarn: Simon und Garfunkel „Bridge over troubled water“. Gut, dass sie so blechern ist. Gut, dass eine Wand dazwischen ist.
Ich würde mich jetzt gerne in den Arm nehmen lassen. Aber was soll Andermensch denken? Was soll er fühlen? Wie komme ich damit klar, was ich fühle und denke – also was ist, wenn ich dort, wohin ich mich in diesem Moment sehne, nicht ankomme? Dort, in den Hauch von Sicherheit?
In 35 Minuten beginnt mein Tag.
Es hilft mir, an Dich zu denken. Es hilft mir, an Euch zu denken, zu denen ich immer wieder in ein Gefühl des Vertrauenkönnens zurück finden kann. Ich hoffe, ihr wisst, jeder, jede Einzelne, dass Ihr gemeint seid. Dass Du gemeint bist.
Warum ist mir das wichtig?
Ist das schon manipulativ? Passiv aggressiv? Beziehungssüchtig, Co-Abhängig?
Ja. Oder… Und…
Es ist, wie es ist.
Schwester. Bruder. Glaubhafte Begleiter meines Moments.
Wovor habe ich Angst?
Auch wenn ich mein Vertrauen, meinen Halt oft nur durch Euch spüre, ist gleichzeitig dieses Gefühl der Begrenztheit doch da, die sich nicht gut anfühlt.
Es ist meine Art der Wahrnehmung, des Urteils, des Erlebens.
Irgendetwas hat mich hier her gebracht. Ich fühle mich in solchen Momenten ganz, also wirklich völlig, wahr – alleine. In erschrockener, plötzlicher Erkenntnis für immer – von allen guten Geistern, Begleitern, vom Träumendürfen – verlassen.
Dabei bin ich genau so weit von irgendeinem Menschen entfernt, wie jeder Mensch von jedem Menschen entfernt ist. Nur mein Gehirn macht seinen ganz eigenen Cocktail daraus.
Im Schrank, wo die Zutaten für das Wohlgefühl zum Leben stehen, verschwindet vor meinen Augen manchmal die Rückwand und der Boden. Wenn ich an Euch denke, entstehen Pigmente aus dem Nichts. Sie formen einen Spiegel aus vorstellbarer Möglichkeit und ein anziehendes, irgendwie „aufhoffendes Dakönntedochetwassein“ entsteht.
Ist das auszuhalten? Für Euch?
Ja, Angst,… ich seh‘ und fühl Dich.
Ob ich tatsächlich für andere auszuhalten bin?
Und morgen?
Ich weiß es nicht, ich kann es nicht wissen. Niemand kann das.
Für mich?
Bin ich für mich auszuhalten?
Ja.
Denn diese Angst hat keinen Grund. Sie existiert nur in meinem Gehirn. Genau so, wie ein Spiegel entsteht, wird sie vergehen.
Willkommen, Bewusstsein
Komm‘ rein, mach’s Dir gemütlich.
Breite Dich aus…
Zeit.
In Ruhe
ankommen
Wachsein
Fühl‘ Dich.
Fühl‘ Dich wie zu Hause.
(… wie? …)