Sosein

Des Begreifungsprozesses weißnichtwievielter Teil


So fühlen

Angst vor dem Fallen in das, für das nur mein Körper achselzucken kann

zerrinnen in den Fingern

nicht halten können, weder mich noch das

 

unfassbar intensive Hoffnung auf die Möglichkeit des Wahrseinkönnens

nicht wagen einzuatmen

So schön kann es nicht sein

 

Bändigen! Mich fest binden

Mich selbst ganz fest

winden

 

was es kostet

 


Ich kann es nicht überhören, dieses eindringliche Geräusch, das ensteht, wenn Waren mit Barcode über die Kasse gezogen werden. Dazu das Klacken des Deckels beim Öffnen und Schließen der Kasse. Das gegenseitige Wünschen eines „Nennschönentachnoch-Dankeihnenauch“ dringt dagegen nicht bis hier zu meinem Platz im Café des Supermarktes vor. Ich mag es, mir vorzustellen, dies sei ehrlich und persönlich gemeint und freue mich über die freundliche Geste der gegenseitigen wohlgesinnten Bemerkung von Menschen, deren Lebenslinien zufällig aufeinandertreffen.

Manchmal genehmige ich mir, so wie jetzt gerade, „einen davor“. Einen guten, – naja – besseren, als den Kaffee der Tagesklinik. Ich versuche mich einzustimmen auf die Begegnung mit einer ganzen Gruppe von Menschen, der ich noch bis nächste Woche zugehöre, ohne es wirklich zu wollen oder das Gefühl zu haben, es zu können. Es fühlt sich so an, als tue ich es, ohne es zu sein. Als spiele ich eine Rolle. Die Zuschauer spielen mit, ohne es zu wissen, dass sie meine Kritiker sind. Und gleichzeitig versuche ich dem Spiel die Erlaubnis zu geben, Wirklichkeit, das wahre Leben zu sein, was es ja aber im Grunde genommen gar nicht sein kann, findet es ja in der künstlichen Realität im Rahmen einer psychiatrischen Klinik statt.

Mein Chor. Ich kann ihn zur Zeit nicht hören. Es fühlt sich gedämpft an.

Bin ich mir so fern? Oder ist das die Normalität?

Ist es meine? Will ich die?


117 Fragen. 234 Kästchen, aufgeteilt in „Ja“ und „Nein“. Dazu ein langes Gespräch, in dem die Unklarheiten aufgeklart werden sollten. Und dann:

„Sie erfüllen die Kriterien, die Diagnose einer Borderline-Persönlichkeitsstörung stellen zu können.

Nicht alle Merkmale sind gleich stark ausgeprägt. Was erklärt, dass Sie so viele Jahre ihre Copingstrategien aufrecht erhalten, somit die Alltagsanforderungen erfüllen und sogar arbeiten gehen konnten. Es gibt Akzentuierungen (…), aber ich sehe gute Chancen, dass sie mit einer erfolgreichen Teilnahme an einem DBT Programm und in Zusammenarbeit mit entsprechenden Therapeuten auch wieder ein Angestelltenverhältnis aufnehmen werden.“

So sprach der Psychologe, gestern, am 25. Juli 2018


Herzlichen Glückwunsch! Es ist ein…

 

Borderliner!

 

Es ist raus. Das Kind hat was.

Es hat einen Borderliner (keine Angst, nicht ansteckend)

Wer was hat, ist was. Existiert.

Mit ihm

kommt irgendwie Luft heraus

Luft zum Atmen – möglicherweise.

Vielleicht eine Art von Raumbeschaffung zum Sosein

Dürfen

Möglichkeiten

Erlaubnis

Existenz

Worte, die ich miteinander spielen lassen kann.

Druckentlastung. Für einen Moment,

der schon fast drei Tage währt.

 

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